PANAX
Juni 2014
Veröffentlicht im LASSO N°6 «Schöne Neue Welt» (Vergriffen).
für L.
In Matrizen sitzen die Kinder. Die Lehrerin hebt den Stab, dreht sich, tippt auf ein Zeichen, dreht sich, öffnet den Mund. Die Schüler klatschen, zugleich, klatschen in die Hände, als zerschlügen sie etwas in der Luft in der Luft zerschlagen wir... auf den glatten, harten, betonierten Straßen heben sie zugleich das Bein, strecken sie zugleich das Bein, wirbeln sie zugleich mit ihren Armen und schlagen auf die Trommel und pressen die Lippen und blasen ins emaillierte, ins feuervergoldete Blech, auf die Tafel gezeichnet steht ein gleichseitiges Kreuz. Auf der Mitte der Kreuzung steht in Uniform die, die den Verkehr ordnet. Angespannt sind die Gesichter, doch wenn die Älteren die Fremden, die Anderen verfluchen, dann bricht es aus, das Jubeln, die Wangen der Jüngsten färben sich rot und rosig. Da überschneiden sich Strahlen, da blitzen Lichter in den Nächten, in den grauen Schächten, in denen sie zu Tausenden aufwärts steigen, in die Stadtzentren zu schießen. Da ist das tägliche Lichterfest. Da ist das Feuerwerk in stiller Explosion, sprechen sie zu Chören. Auf der Kreuzung steht sie und ordnet den Verkehr an. Sie dreht sich mit gestreckten Armen, dreht sich, ohne zu stocken. Sie dreht sich, die Polizistin, sie ist eine Ballerina auf den Fliesen des Palastes zu Bukarest, eine Tänzerin auf dem Opernball zu Wien, auf dem Eis in Sotschi, auf den Galas von L.A., in der Mitte der Stadt Pjöngjang. Sie hält ihre Arme ausgestreckt, die Muskeln angespannt, zu achten auf das heiß brennende Herz in mir, zu preisen den Einen, der uns führt, den konzentrierten Geist des Morgen. Die Lehrerin spitzt den Mund, das Orchester bläst ins Blech, der Dirigent hebt den Stab, die Tribüne wechselt ihre Farbe, der Kreis zerbricht, die Masse formt das Kreuz, die Lehrerin presst die Lippen, jeder Schüler flüstert „Ja!“ Denn unsere Felder zeichnen wir in Strahlen, denn aus unseren Augen schießen, in die Stratosphäre schießen wir die Strahlen und formen Matrizen zu einem Netz, dem wir verbunden bleiben. Der Alte mit einer Wurzel um den Hals schneidet mit diamantengeschliffener Klinge in den Kegel, in die Kuppel, in die Wolken, schneidet in den Schaft der Säule und in seiner weißen, hellen Halle hallt kein Laut. Morgen! füllen sie die Ränge, morgen schießen sie aus allen Teilen in das Zentrum, morgen drehen sie beim Entsichern der Gewehre, beim Aufklappen der Messer, beim Hieben der Säbel zu Mosaiken die Schilder, wenn die Tribüne die Farbe wechselt, sich die Zeichen verschieben, in der Halle die geformten Knospen der Orchideen und Begonien platzen, mit dem Schlagen auf die Trommeln platzen, mit dem Ertönen der Hörner, Posaunen und Trompeten platzen, mit dem stillen Feuerwerk in den Schächten, in denen wir schräg hinauf steigen zum Kern, zum Zentrum, zu den Wimpeln und Fahnen und Pompons und Schildern, zu dem großen Spektakel platzen. Das Spektakel nämlich ist die Masse. Das haben wir Euch voraus, wir eilen uns voraus, in die Himmel schnellen die Funktionen, ihr Flug beschreibt... Die Schüler zeichnen eine exponentielle Kurve. In ihr seid Ihr geboren. Die Geschwindigkeit des Spektakels steigt, das Stück wiederholt sich, unsere Musik spielen wir als Kontinuum im Licht des Stroboskops. Die, die den Verkehr anordnet, dreht sich mit ausgestreckten Armen im Kreis, die Lehrerin spitzt den Mund, das Zentrum zieht sich zusammen. Unsere Intelligenz bildet einen Schwarm, wir Alle sind miteinander verbunden, keiner schaltet den Sender ab. Wir sehen, was wir tun und keiner sieht den Anderen, in den Hallen, auf den Straßen. Optimiert schlagen dort hunderttausend Jüngste einen Ton, blasen hunderttausend Jüngste dort einen Ton, schwenken hunderttausend Jüngste Fahnen, setzen eine Million Menschen zugleich einen Schritt und ein Jubel bricht aus, da die Älteren dort! die Anderen, die Fremden verfluchen, auf den Rängen wechselt sich die Farbe, zugleich erröten sich die Wangen und zugleich klatschen die Schüler in die Hände, als zerschlügen sie etwas in der Luft in der Luft zerschlagen wir... Doch die Wurzel, die wir hüten, hütet uns. Da ist kein Ausbruch, den wir nicht wollen, die Energien konzentrieren wir, die Lieder, die wir in Chören singen, singen wir niemals ohne Zweck. Sie hält ihre Arme angespannt, in der Luft dreht sie sich in einer Spirale, da ist nichts, das stockt, sie dreht sich und tippt auf die Tafel und dreht sich, öffnet den Mund. Gleichmäßig fließt der Strom zwischen den Matrizen der Masten auf den Feldern, die wir in Strahlen zeichnen, auf den Feldern zwischen den spitzgezackten Bergen, über die flimmernde Wolken sich ziehen, in denen die eisklaren Bäche zittern und die Polizistin schwankt und ihr entfleucht ein Fluch, da aus den Wipfeln eines Baumes, der im stillen Wind sich wiegt, eine weiße Fliege sich erhoben hatte. Ihr Flug beschreibt eine exponentielle Kurve, sie dreht sich in einer Spirale, umschwirrt sie, die den Verkehr zu ordnen hat, umkreist flirrend ihr rechtes Auge und ihre Nase, streift mit den weißen Flügeln ihre schwarzgetuschten Wimpern, eine Tangente, die den Kreis berührt, ein Strahl, der abwärts schießt. Da röten sich ihre Wangen, da fuchtelt sie, die in der Mitte des Kreuzes, des Zentrums den Verkehr zu ordnen, anzuordnen hat, mit den Armen, sie in der Luft zu zerschlagen und die Straßen sind – leer!