DIE GELIEBTE STIMME

nach Jean Cocteau

 
 

Woher nähme ich die Kraft, mir eine Lüge auszudenken? - Es gibt ja Gelegenheiten, in denen eine Lüge gut und nützlich ist.

Eine Frau hält einen Telefonhörer in der Hand. Er ist ihr einzig noch verbliebener Zugang zu einem geliebten Gegenüber, das sie verlassen hat. Sie weiß: So lange sie spricht, so lange sie nur die Stimme hört, wird sie ihr nicht entschwinden...

Olav Amende inszeniert Jean Cocteaus berühmtes Monodrama als ein verengtes Kammerspiel, in welchem das Sprechen in seiner existentiellen Funktion widerhallt. Die minimalistische Handlung öffnet den Raum für eine psychologisch intensive Innensicht eines verzweifelt liebenden Menschen. Für die Inszenierung an der Schaubühne Lindenfels wurde eine neue Textfassung konzipiert, in der Wiederholungen und Stille den Sprechfluss rhythmisieren. Als Echo der verklingenden Erinnerung an die geliebte Stimme wird die Inszenierung von Live-Musik umrahmt.

Ich lüge und erschaffe mir eine Zeit, die allein dadurch wird, indem ich spreche. Ich schaffe das Gewesene um. Ich verneine das Gesetzte. Ich befreie mich. Lügend eröffne ich mir einen Raum, in welchem ich lieben kann.

 
Ein intensiver und emotionaler Theaterabend mit einer großartigen Protagonistin [...]
— Leipziger Volkszeitung
Ein Sessel, ein Tisch, zwei Scheinwerfer, eine Frau, ein Telefon. Mehr brauchen Regisseur und Spielerin nicht für Jean Cocteaus Telefonmonolog, der beinahe 90 Jahre auf dem Buckel hat und im Treppentheater der Schaubühne Lindenfels ganz wunderbar und fast magisch aus Raum und Zeit gefallen zu sein scheint.
— reihesiebenmitte
 
  • Premiere
    12. September 2018
    Schaubühne Lindenfels Leipzig

  • Regie
    Olav Amende

  • Schauspiel
    Annika Gerber

  • Musik
    Gwen Kyrg

  • Kostüm
    Alisa Hecke

  • Fotos
    Ruslan Hrushchak


 

ubuntu

in uns sind wir allein / in allem, was wir begehren, sind wir allein / niemand könnte uns je erreichen und niemanden erreichen wir / niemand gelangt zu mir und niemanden erlange ich / in meinem streben, dich zu fassen, greife ich immerfort ins leere / in deinem lieben bleibst du stets allein und in meinem lieben bleibe ich stets allein / doch dieses fühlen fühlt sich nicht allein / es will zu dir und ohne dich will es nichts / wer bin ich, bin ich allein? / bin ich ich allein? / es gibt mich und es gibt dich / es gibt das dich in mir und es gibt das mich in dir / es gibt ein wort / es gelangt zu mir von einem ort, den ich nie betrat / es gelangt zu mir aus einer zeit, die ich nie je erlangen werde, da sie war / und doch gelangt dieses wort zu mir / und doch war ich an diesem ort, weil alle menschen ihm entstammen / etwas bleibt in mir, das ich nicht erreiche / es ist der moment, in welchem ein mensch, auf dem ich folge, ins leben trat / es gibt diesen moment, es gibt dieses wort in mir / es heißt, ich bin, weil sie waren / es heißt, ich werde, weil ihr seid / es heißt, ich bin, weil ihr mich hört, weil ihr mich seht, weil ihr um meiner wisst / und ich weiß nicht, wer wäre ich, wäre ich allein / es heißt, wir bleiben uns unbekannt und doch sind und bleiben wir einander verwandt und verbunden / so bin ich, weil ihr es seid, die meiner denkt / denn der weg des menschen ist der weg seiner gedanken / längst sind wir eingegangen in eine welt, in der wir einander verbunden bleiben, in der nichts geschähe, das nicht die mir nächsten ebenso erfasste wie den menschen, der mir am fernsten steht und nichts geschähe, ohne dass es mich erreichte / die wege der gedanken verdichten sich / selbst die fernsten werden mir nahe stehen …