DAS VERSPRECHEN
An einem späten Nachmittag im Dezember findet sich eine Familie zusammen. Beinahe vollständig ist diese Familie, nur einer fehlt: Viktor. Lange war Viktor krank, doch das wird morgen vergangen sein, denn der Arzt hat der Familie ja versprochen: Morgen wird Ihr Viktor aus der Klinik entlassen und gesund sein. Oder hat er sich versprochen und in Wahrheit gesagt: Morgen wird Ihr Viktor…?
Ihnen, zu ehrendes Publikum, sei an dieser Stelle die Auflösung dieser Frage versprochen, denn sie bleibt der Familie ein Spaß… Doch zunächst (und: wie dem auch sei): Prosit! Es nütze!
Das Versprechen ist ein komisches Familiendrama: Die junge kranke Generation trifft auf die alte gesunde. Es gilt, unsere ungewisse, stets vom Zerfall bedrohte Zeit zu erhalten und geschähe dies allein durch die Wiederholung der uns allzu bekannten guten alten Zeit. Im Versprechen wuchert das Zusammenspiel von Zerfall und Wiederholung auf irgendwie absurde Weise.
Uraufführung
05. März 2015
Cammerspiele LeipzigText & Regie
Olav AmendeCo-Regie
Monique HeßeEs spielen
Annika Gerber
Ina Isringhaus
Sandra Müller
Tim Josefski
Georg Herberger
Roman PaulsLicht
Miriam VohlaTon
Martin BasmanFotos
Florian Rosier
Die Familie zündet ihre Zigaretten an und raucht fortan.
ALFRED — Unfassbar, nicht? So, wie dieser Rauch schwindet, so…
OSWALD — … vergeht die Zeit und…
FELIX — … so Vieles haben wir vor uns liegen…
MARIE — … doch kommen dem…
HELENE — … nicht hinterher,…
ALFRED — … denn…
OSWALD — … es liegt ja nicht…
FELIX — … hinter uns, in Wahrheit, sondern…
MARIE — … vor uns, sozusagen…
HELENE — … zum Greifen nahe,…
ALFRED — … vor unseren Augen,…
OSWALD — … wie eine Spur im Schnee…
FELIX — … oder im schwarzen Wüstensand,
MARIE — … die der Wind…
HELENE — … verweht und…
ALFRED — … den Wind,…
OSWALD — … den Hauch -…
FELIX (den Zeigefinger hebend) — … die Inder nennen ihn Agni,…
MARIE — … den Sitz des Lebens, denn…
HELENE — … „für die Götter gilt:…
ALFRED — … Die Stimme ist Agni,…
OSWALD — … das Auge ist die Sonne,…
FELIX — … der Geist ist der Mond,…
MARIE — … das Ohr sind die Weltgegenden,…
HELENE — … der Hauch ist der Wind,…
ALLE — … der da weht.“-
Schweigen
ALFRED — … den Wind,…
OSWALD — … den Hauch,…
FELIX (den Zeigefinger hebend) — … Agni,…
MARIE — … sieht man…
HELENE — … nicht!
Schweigen
ALLE — Nicht sichtbar ist der Sitz des Lebens, nicht greifbar und ganze ohne Richtung, ganz ohne Weg, einzig ein Chaos ist der Sitz des Lebens,…
ALFRED — … ist Agni,…
OSWALD — … ist der Hauch,…
FELIX — … ist der Wind,…
MARIE — … der die Spur vor uns…
HELENE — … im Schnee…
ALFRED — … oder im schwarzen Wüstensand,…
OSWALD — … das, was vor unseren Augen,…
FELIX — … sozusagen zum Greifen nahe,…
MARIE — … vor uns liegt…
HELENE — … verweht.
ALFRED — Und eines Tages -…
OSWALD — … allein stehen wir…
FELIX — … in der Weite des Feldes -…
MARIE — … da schwillt er an…
HELENE — … zu einem Sturm und…
ALLE — … mit Gewalt…
ALLE — … reißt er uns…
ALLE — … um!
Die Familie, die sich ja längst schon feierlichst erhoben hat, lässt sich fallen.